Die verpasste Förderung
Mindestens € 345.000 von Verwaltung und Rat verbummelt.
Fakt ist:
Am 16. 9. 21 startete im Land Niedersachsen das Projekt „Perspektive Innenstadt“. Kommunen ab 10.000 Einwohner wurden aufgerufen und ermuntert, sich um Fördermittel zu bewerben. Diese Mittel waren vorgesehen für
➢ Unterstützung der Krisenbewältigung und der grünen und digitalen Transformation der Wirtschaft
➢ Innenstadtgestaltung an neue oder verstärkte Herausforderungen anpassen
➢ Neue Nutzungsformen, stärkere Nutzungsmischungen, lebendigere Innenstädte, Verknüpfungen von digitalen und stationären Angeboten und Lösungen zu Klimaschutz und Klimaanpassung
(„Sofortprogramm Auftakt Projektförderung 16.09.21“)
Bürgermeister Wirth erhielt am 16. 9. 21 folgende Anfrage:
„Umliegende Gemeinden haben diese Gelder zugesagt bekommen und planen bereits entsprechende Maßnahmen. Schiffdorf jedoch scheint nicht dabei zu sein. Dabei wäre eine Entwicklung des desolaten Ortskerns dringend nötig, und Klimaschutz wird in der Gemeinde bisher so gut wie gar nicht betrieben, muss also auch mit Geld gefördert werden.
Haben Sie diese Gelder nicht beantragt? Oder haben Sie sie nicht bewilligt bekommen? "
Es erfolgte wieder einmal
keine Antwort.
Diese kam erst nach einer Erinnerung am 7. 10. 21 am folgenden Tag:
„Grundsätzlich kann ich Ihnen versichern, dass wir sehr genau die vielfältigen Förderprogramme auf EU-, Landes- und Bundesebene in den Blick nehmen und prüfen, ob Zuschüsse für umsetzungsreife oder projektierungsgeeignete Vorhaben beantragt werden können.
Gern erfahren wir Näheres von Ihnen
über die Ihnen bekannten Projektförderungen im Umland.“
Der Bürgermeister erhielt „Näheres“ noch am selben Tag per Mail:
„Meine Frage bezog sich auf das ‚Sofortprogramm Perspektive Innenstadt‚ des Niedersächsischen Ministeriums für Europa- und Bundesangelegenheiten und Regionale Entwicklung. Es ist annonciert unter dieser Adresse:
https://www.mb.niedersachsen.de/startseite/regionale_landesentwicklung_und_eu_forderung/regionale_landesentwicklung/sofortprogramm_perspektive_innenstadt/sofortprogramm-perspektive-innenstadt-201506.html
Wieder
keine Antwort! Erinnerung per Mail am 20. 10.
Erneut kommt
keine Antwort.
Die Frage kommt noch einmal, allerdings diesmal auf der Plattform
„Frag-den-Staat.de“
am 28. 10., also quasi in der Öffentlichkeit des Internets.
3 Tage später dann eine Mail aus dem Rathaus, allerdings nicht vom Bürgermeister:
„ …in oben genannter Angelegenheit können wir Ihnen nach Prüfung der Fördermöglichkeiten abschließend mitteilen, dass die Gemeinde Schiffdorf
nicht förderfähig im Sinne der Richtlinie
ist und bitten Sie, von weiteren Anfragen in dieser Sache Abstand zu nehmen.“
Unterzeichner ist der „Fachbereichsleiter für Planung, Umwelt und Entwicklung“
Stefan Grün.
Übersetzt könnte man formulieren: „Wir wollen mit dieser Angelegenheit nichts mehr zu tun haben.“
Fakt
ist:
Die Aussage des Herrn Grün stimmt nicht, wie eine Anfrage beim zuständigen Ministerium in Hannover ergab:
„alle niedersächsischen Städte und alle Samt- oder
Einheitsgemeinden ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohnern, in denen mindestens ein Grundzentrum festgelegt ist, konnten sich vom 17.06. bis zum 15.07. für das Sofortprogramm „Perspektive Innenstadt!“ bewerben.
Das schließt auch die Gemeinde Schiffdorf ein.
[…]Bei uns sind 207 Anträge eingegangen, die alle positiv beschieden werden konnten. Die Kommunen können im Rahmen ihrer reservierten Budgets, je nach Einwohnerzahl zwischen 345.000 Euro und 1.800.000 Euro, auf Grundlage der Richtlinie seit dem 20.10. Anträge auf Projektförderung bei der NBank stellen.“
Das bedeutet: Schiffdorf hätte sich für das Förderprogramm bewerben können und wäre auch berücksichtigt worden. Dies widerspricht diametral der Aussage der Gemeindeverwaltung in Person von Herrn Grün.
Der Vorgang wurde auch auf der Sitzung des Gemeinderates am 2. 11. 21 behandelt. Im Rahmen der Fragestunde nahm der
stellvertretende Bürgermeister
Küver
wie folgt Stellung:
„dass ihm der Sachverhalt zu dem Förderprogramm bekannt sei. Der ehemalige Bürgermeister Wirth habe selbst daran gearbeitet. Wenn mitgeteilt worden sei, dass die Gemeinde Schiffdorf kein förderfähiges Vorhaben im Sinne der Richtlinie habe, werde dies stimmen. Der ehemalige Bürgermeister Wirth habe seines Wissens in intensivem sachlichem Austausch mit dem interessierten Bürger gestanden.“ (Protokoll der Ratssitzung)
Fakt
ist:
Schiffdorf war förderfähig, hat aber offensichtlich keinen Antrag gestellt.
Fakt
ist
ferner,
dass es
keinen
„intensiven sachlichen Austausch mit dem interessierten Bürger“ gegeben hat.
Dieser gesamte Vorgang wirft weitere
Fragen
auf:
- Kann man den Schiffdorfer Verwaltungsmitgliedern zutrauen, dass sie tatsächlich die aktuellen Förderprogramme im Blick haben?
- Wieso haben die Parteienvertreter im Schiffdorfer Rat, insbesondere natürlich die der SPD und CDU, über ihre parteiinternen Strukturen nicht von dem Förderprogramm erfahren, das ihre Parteifreunde in Hannover auf den Weg gebracht haben, und warum wurde der Verwaltung in Schiffdorf nicht aufgegeben, sich im Interesse der Gemeinde zu bewerben?
- Wird der neue Bürgermeister dafür Sorge tragen, dass Anfragen von interessierten Bürgerinnen und Bürgern in Zukunft zeitnah und wahrheitsgemäß beantwortet werden und dass Äußerungen und Haltungen, wie sie in der Mail von Herrn
Grün zu Tage treten, der Vergangenheit angehören?
Der neue
Bürgermeister Henrik Wärner
(CDU) antwortet als einziges der Ratsmitglieder auf obige Fragen und schreibt am 8. 11. 21:
„Die Mitarbeiter der Schiffdorfer Gemeindeverwaltung haben eine hohe Kompetenz im Bereich des Förderwesens. […] Als neuer Bürgermeister stehe ich für einen engen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern und beantworte Bürgeranfragen sehr gerne und gewissenhaft. Dies kann jedoch nicht bedeuten, dass Bürgeranfragen, die sich in regelmäßigen Abständen wiederholen und immer ähnliche oder wenig zielgerichtete Fragen stellen, auch jedes Mal aufs Neue beantwortet werden können. Dafür haben leider weder die Gemeindeverwaltung, noch der Bürgermeister und sein Stellvertreter die nötigen Kapazitäten.“
Fakt
ist:
Anfragen mussten wiederholt werden, weil sie
nicht beantwortet wurden, die Zielrichtung war deutlich ausgewiesen, sie wurden nicht „aufs Neue“ beantwortet, sondern nur einmal, und zwar falsch.
Es gab noch einen weiteren Versuch aus den Reihen der CDU, die Untätigkeit der Verwaltung und der Politik zu rechtfertigen. Er liest sich so:
„Jetzt ist es m.E. so, um sich um Fördermittel zu bewerben, müssen auch konkrete, förderfähige Projekte auf dem Tisch liegen. Zu dem Zeitpunkt, als die […] angesprochenen Fördermittel bewilligt wurden, existierten zwar die ersten Pläne hinsichtlich unserer Ortsmitte. Sie waren aber bei weitem noch nicht in einem Stadium, um „förderfähig“ zu sein.
Von daher muss ich [der] Meinung, durch die Nichtteilnahme an dem Förderprogramm seien der Gemeinde Schiffdorf mindesten 345.000 € entgangen, widersprechen.
Derartige Fördermittel werden nur für konkrete und zeitnahe Projekte gewährt. Sie werden nicht auf Zuruf, wir planen da etwas, ausgezahlt.“
Auch hier kostete es nur einen Anruf in Hannover, um diese
Auffassung zu widerlegen. Das Ministerium teilte am 22. 11. 21 mit:
„tatsächlich ist es so, dass die Kommunen im Sofortprogramm sehr kurzfristig Projekte beantragen und umsetzen müssen:
- Eine Antragstellung auf Projektförderung bei der NBank ist teilnehmenden Kommunen seit Mitte Oktober 2021 möglich
- Bis zum 31.03.2021 muss mindestens ein Förderantrag eingegangen sein, sonst erlischt das reservierte Budget
Bis zum 30.06.2021 müssen alle Förderanträge gestellt sein, danach ist es nicht mehr möglich.
- Alle Projekte müssen bis zum 31.03.2023 abgeschlossen sein.
Aufgrund dieser Kurzfristigkeit war die Benennung von Leitprojekten deshalb bereits Bestandteil des Antrages zur Aufnahme, der uns bis zum 15.07.2021 vorliegen musste. Die Leitprojekte waren aber nicht Bestandteil der Antragsprüfung. Es war und ist deshalb weiterhin allen teilnehmenden Kommunen möglich, andere und/oder weitere Projekte, als die im Antrag benannten Projekte, auszuarbeiten und eine Förderung zu beantragen.“
Fakt
ist:
Seit dem 8. 10. 2015 hat die Gemeinde Schiffdorf eine „Strategische Entwicklungsplanung“, auf deren Grundlage eine Antragstellung
möglich gewesen wäre.
Fakt
ist
weiter:
Nachbargemeinden, die rechtzeitig ihre Planungen eingereicht haben, investieren kräftig in ihre Ortskerne mit Hilfe der Fördergelder,
Schiffdorf entgehen mit dem scheidenden Bürgermeister Wirth mindestens € 345.000 für dringende Erneuerungen des desolaten Ortskerns und für den Umweltschutz.
Die Frage ist:
Sind die Interessen der Schiffdorfer Einwohnerinnen und Einwohner an einem lebenswerten Wohnumfeld in diesem Rathaus gut aufgehoben?